Zinnschmelze

Zinnschmelze

Von Tanzfeen & Traumcafés

Ein denkmalgeschütztes Fabrikgebäude für Musik, Partys, Tanz, Literatur-Events, Vorträge, Kleinkunst und Kinderveranstaltungen. Ulrike Korb hat es erlebt.

Klatschen, Trommeln, Füße stampfen rhythmisch. Darüber schwebt eine Melodie, zart wie ein Märchen aus 1000 und einer Nacht, um gleich danach im Gypsy-Temporausch davon zu taumeln: Weltmusik – unberechenbar, lebendig, fröhlich, traurig und alles zusammen. Die „Welcome Music Session“ im Barmbeker Kulturzentrum Zinnschmelze ist gefühlte Heimat für viele, eine konzertante Melange mit Zinnschmelzen-Charme.

Die Idee hatten beide unabhängig voneinander: die Zinnschmelze und die Hochschule für Musik und Theater. Und wie das so ist mit klugen Synchronizitäten, sie führen unweigerlich zu einem kulturellen Urknall – das Kooperationsprojekt Welcome Music Session wurde mit dem Stadtteilkulturpreis 2016 ausgezeichnet. Es findet seit Herbst 2015 jeden 2. Donnerstag im Monat statt, der Eintritt ist kostenlos. Gut gelaunt moderiert Arne Theophil, Bassist und Organisator im Musiknetzwerk Elbinseln, den Abend. Künstler treten in spontaner Folge auf. Eine orientalische Zither, Darboukka-Felltrommeln, Schlagzeug, Kontrabass und die elegische Männerstimme am Mikro verschmelzen zu fremden und verlockenden Klängen. Menschen kommen und gehen, sitzen auf dem Boden, halten ihre Handys hoch, Küsschen hier, Umarmung dort – ein Volksfest zum Mittanzen mit arabischem Akzent.

Zu Fuß durch Folk und Pop

Das Bild zeigt den Bartresen aus HolzSpannender Kulturmix aus aller Welt ist seit jeher Markenzeichen der Zinnschmelze. Vorzugsweise bietet sie jungen, aufstrebenden Musikern den Rahmen für künstlerische Darbietungen. Songpoet Udo Schild füllte die Zinne schon mit jazzigem Soul, Nico Brettschneider & Rufus and the Drawbacks kontrastierten mit sanftem Gitarrensound und rockiger Ursprünglichkeit und russisch-brasilianische Lieder rauschten bei Rosa Morena Russo & Pavel Ehrlich als Bildperformance illuminiert über die Bühne. Gern schaut auch Sängerin Theresa Dold mit Fernweh-Folk und souligen Pop-Balladen vorbei. Karibisch entspannt trommelt sich die Salsa-Night in Hände und Füße, mit der zeitgenössischen Swingvariante Lindy-Hop inszeniert sich der kokette Charleston neu. Die West African Dance Night knallt Farben und französischen Groove in den grauen November samt Einführungskurs direkt beim Absolventen des Senegalesischen Nationalballetts, Aliou Badji.

Gleich, gleich öffnet sich der Vorhang, eine Ballerina im Scheinwerferlicht. Kurz taucht ihr Blick über das atemlos angespannte Dunkel des Zuschauerraums: eine Bühnenstimmung wie in einer Balletturaufführung schwebt über dem Veranstaltungssaal der Zinnschmelze. Es ist Dienstag, 17 Uhr. Die Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin Katharina Kickinger, gebürtige Wienerin mit österreichischem Singsang in der Stimme, erteilt Ballettunterricht. Tanzsehnsüchtige junge Frauen – Absolventinnen der Stage-School, Schauspielerinnen aber auch Laien – unterwerfen sich der strengen klassischen Technik. Bei Katharina kommt diese jedoch locker und mit Bonmots gewürzt daher. Dafür lieben ihre Schülerinnen sie und der rote Vorhang und das Bühnenequipment in steter Bereitschaft ist eine wunderbare Kulisse für langgehegte Ballettträume. Dann eröffnet sie den Reigen der Pirouetten – Pique, Soutenue, Pique, Soutenue – in schneller Folge quer durch den Raum. Die eine kann es besser, die andere muss noch Frieden schließen mit der Balance, doch alle werden in die Choreografie nach ihren Möglichkeiten einbezogen.

Szenenwechsel: gleicher Raum, Modern Dance, Unterricht in jener Tanzform, die sich voll ins Gefühl wirft, Contemporary Dance. Mit der Release-Technik beginnt die Stunde: atemsynchrone leichte Kopfbewegungen, Beinschwünge, auf und ab des Oberkörpers. Auf dem Boden rollen und biegen sich die Körper weich, bereit für die Choreo. Laszive Armposen, Hüften zucken sekundenschnell. Die Modern Dance Musik klingt nach Tango, nach wilder, nie gekannter Urkraft. Leicht wie Gazellen springen die Mädchen durch den Raum, paarweise im Kreis angeordnet. Katharinas Unterricht hat Strahlkraft, vor allem die Aussicht auf die öffentliche Abschlussperformance am Ende des 6-monatigen Unterrichtszyklus motiviert.

Sie findet in der Burg am Biedermannplatz (www.die-burg-barmbek.de), Katharinas zweitem Wirkungsort, statt – samt Kostümen, Lichteffekten und Bühnentheatralik. Katharinas Leitmotiv – jeder kann tanzen – ist eine uralte Weisheit und das geflügelte Wort des Heiligen Augustinus prangt auf ihrer Website „O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen!“ Das wissen auch die Zinne-Feen (www.tanzfee-hamburg.de): Tanzen ist – Alles auf Anfang!

Barrierefrei: Barmbeker Kulturblüten

Wenn Danube´s Banks mit ihrem flirrenden Gypsy-Sound beim Barmbeker Hoffest auftreten, wird der Bert-Kämpfert-Platz zum wippenden, tänzelnden Wesen. Das nachbarschaftsvernetzende Sommerevent kehrt jährlich wieder. Auch die „Hörspielwiese“ ist schon Zinne-Kult: zum mitgebrachten Familien-Picknick am Wendebecken Langenfort gibt es Gratis-Geschichten aus Lautsprechern. Im Winter pflegt "die Zinne" regelmäßig straffende Lachmuskelgymnastik beim Hamburger Comedy-Pokal und hat auch sonst viel Spaß im Repertoire: Partys, Tanz und Theater, Literatur, Vorträge, Kleinkunst und die Kinderveranstaltungen im Dachtheater (www.theaterdeck.de). Unkonventionelle Formate sprühen Funken wie das Tonali-Klassik-Konzert junger Künstler, deren Management komplett und frisch von Schülern gestaltet wurde. Mit dem großen Erweiterungsbau bekam die denkmalgeschützte kleine Zinnschmelze aus dem 19. Jahrhundert einen ästhetischen Rahmen. Alt und Neubau sind hier aufs Attraktivste vereint, mit einer Saalkapazität von 150 Sitzplätzen.

Neben dem Glas-Foyer liegt links das süße Café Lüttliv (www.luettliv.de), das, ebenso wie sämtliche Veranstaltungsräume und die barrierefreie Toilette mit dem Aufzug barrierefrei zu erreichen ist. So können die Kulturblüten (www.kulturblüten.de) der regen Stadtteilarbeit, die "die Zinne" seit 2002 durchziehen, erst richtig aufblühen. Integration und Inklusion sind häufige Themen. Obwohl das Zinne-Team sie nicht so nennt: „So komplizierte Wörter haben wir hier gar nicht: Bei uns heißt das ‚Spaß haben‘ und ‚Sich zu Hause fühlen‘.“

Text: U. Korb

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